Geschlechterunterschiede und Geldfragen

Gestern las ich einen Artikel in der Online-SZ, der mich in Teilen verstimmt hat, weil er m.E. sich auf eine zweifelhafte Statistik beruft und somit unpräzise bei der Ursachenforschung wird. Es geht um die Verdienst-Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die SZ macht diese daran fest, dass Frauen in gering bezahlten Berufen arbeiten und nach der Geburt ihres Kindes bzw. ihrer Kinder häufig in Teilzeit arbeiten. Das Ehegattensplitting würde dies zusätzlich unterstützen. Die Lösung sei daher: Nicht einer, sondern beide sollten Teilzeit arbeiten; die Tätigkeiten der Frauen müssten darüber hinaus besser bezahlt werden.

Zunächst: Frauen verdienen (mehrheitlich) nicht aufgrund ihres Daseins als Frau weniger – nur das wäre meiner Ansicht nach ein Gender-Pay-Gap! Auch wenn statistisch so gerechnet wird (oh je, Statistiken), bleibt die Forderung nach präziser Begrifflichkeit: Wenn ich vom Gehaltsgefälle zwischen Mann und Frau spreche, muss ich Äpfel mit Äpfeln vergleichen, das heißt: Ich muss die Tätigkeit betrachten. Was bekommen Mann und Frau für die jeweils gleiche Tätigkeit? Was verdient ein Angestellter, der in der Sparkasse am Schalter steht, was seine Kollegin am benachbarten Schalter? 20 Prozent weniger? Gewiss nicht. Was verdienen ein Redakteur und eine Redakteurin in einem Verlag, der Zeitschriften herausgibt? Wenn sie in etwa gleich alt sind, bekommen sie exakt das gleiche Gehalt, weil das tariflich so geregelt ist. Auch bei anderen Mitarbeitern des Verlages wird nach Tätigkeiten, nicht nach Geschlecht unterschieden. Die Kassiererin an der Kasse im Supermarkt wird auch genauso viel verdienen wie ihr Kollege an der anderen Kasse. Warum? Alles andere würde gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen!

Gender-Pay-Gap haben wir dort, wo Verträge individuell ausgehandelt werden, wo es keine Tarifverträge gibt. Das gilt vorwiegend für Führungspositionen. Dass hier Potenzial für die Frauen liegt, bestreitet sicher niemand. Aber: Beim Mindestlohn wird auch nicht nach Geschlecht unterschieden, er gilt für alle.

Doch das Thema ist eigentlich ein ganz anderes, nämlich die unterschiedliche Entlohnung in verschiedenen Branchen. Krankenpflege, Kindererziehung, Verkauf im Einzelhandel, Pflege von Haut und Haar – all das sind Tätigkeiten, die in diesem Land einfach mies bezahlt werden – und zwar zunächst mal unabhängig davon, ob eine Mann oder eine Frau sie ausübt. Aber, wie es der Zufall will: In diesen Bereichen arbeiten vorwiegend Frauen. Allein daraus den Gender-Pay-Gap herzuleiten, passt für mich nicht. Denn auch Männer, die dort arbeiten, verdienen nicht mehr. Wenn es also beide Geschlechter gleichermaßen betrifft, kann ich es nicht als Argumentation zum Nachteil eines Geschlechts heranziehen.

Der Handlungsbedarf wird in dem Artikel durchaus richtig angemerkt. Diese Art von Arbeit gehört aufgewertet, und zwar deutlich. Ist das erreicht, diskutieren wir die andere Seite, nämlich die Begünstigung von Ehen, in der einer viel, der andere wenig verdient (weil er/sie ja in einer schlecht bezahlten Branche tätig ist), durch das Ehegattensplitting auf ganz andere Art und Weise. Die SZ führt aus:

„Deshalb [weil Frauen in der Regel weniger verdienen als ihre Partner] sieht die Wirklichkeit so aus: Männer arbeiten Vollzeit oder mehr, machen berufliche Erfahrungen, erwerben Kompetenzen und machen Karriere. Frauen kümmern sich um die Kinder, arbeiten meist Teilzeit und fallen beruflich hinter die Männer zurück, mit all den negativen Begleiterscheinungen: Karriereknick, weniger Einkommen, weniger Sozialleistungen.“

Ich sage: Das ist eben nicht immer eine Frage des Geldes bzw. des unterschiedlichen Verdienstes, sondern hat verschiedene, sehr persönliche Gründe.

  1. Frauen bekommen biologisch bedingt die Babies, stillen sie und möchten in der Regel auch gerne Zeit mit ihnen verbringen. Ganz oft freiwillig. Weil es ihnen etwas bedeutet, ihnen etwas gibt. Das sagen auch Mütter, die vorher genauso viel oder sogar mehr als der Mann verdient haben. Dass diese Frauen Elternzeit nehmen, bedeutet aber nicht automatisch, dass sie danach Teilzeit arbeiten und beruflich hinter die Männer zurückfallen.
  2. Beide Partner wollen das (alte) Rollenmodell so. Das muss man nicht verstehen oder bewerten wollen, es ist einfach manchmal so. Bitteschön. So lange sich alle Beteiligten dabei wohlfühlen – und ja, das gibt es –, ist das maximal okay.
    [Anmerkung: Statistiken zeigen, dass auch Paare, die vor der Geburt des Kinders das hohe Lied der gemeinsamen, sprich zeitlich gleich aufgeteilten Erziehung singen, nach der Geburt in diese Rollenmuster verfallen. Das allein mit finanziellen Überlegungen, sprich dem angeblichen Gender-Pay-Gap, zu begründen, scheint mir den Kern nicht zu treffen. Da spielen andere Faktoren eine Rolle, ein weites Feld.]
  3. Die Kinderbetreuungszeiten erfordern, dass mindestens ein Elternteil von Vollzeit abweichende Arbeitszeiten wählt. Wer das von beiden ist, bleibt Verhandlungssache innerhalb der Familie. Wenn es ums Geld geht, dann ist das m.E. aber nicht eine Frage des Geschlechts, sondern eine Frage dessen, wer wo in welcher Position arbeitet. Sind beide beispielsweise Lehrer_in, sieht die Sachlage anders aus als bei dem Paar, bei dem eine_r im Autohaus Verkäufer_in ist, der/die andere dort am Empfang sitzt.
  4. Das Verhältnis zur Berufstätigkeit (wer arbeitet Voll-, wer Teilzeit) ist ein individuelles: Manche Männer treten gerne ein wenig zurück und übernehmen mehr Aufgaben innerhalb der Familie, manche Frauen fühlen sich Vollzeit arbeitend unwohl und verzichten freiwillig auf Geld und weiteres berufliches Vorankommen, weil sie bei den Kindern, bei der Familie sein wollen. Dieses Lebensmodell hat nichts mit Gehaltsunterschieden von Geschlechtern zu tun.

Die Lösung des Dilemmas liegt aus meiner Sicht nicht unbedingt in einer Geschlechterdebatte (von wegen: Frauen sind benachteiligt), sondern darin, die Wertigkeit von Arbeit neu zu justieren: Alten- und Krankenpflege, Kindererziehung, überhaupt Sozialarbeit muss besser bezahlt werden als heute. Weil sie es einfach wert ist und nicht, weil Frauen sie vorwiegend machen. Das würde gesellschaftlich so viel mehr bewirken als diese ganzen Teilzeit- und Steuer-Diskussionen. Dass Verbesserungen hier der Frau natürlich nützen, ist ein sehr willkommener Nebeneffekt.

 

8 Kommentare Gib deinen ab

  1. ashyda sagt:

    Ich möchte da gerne drei, ach was, fünf dicke Haken drunter setzen!
    Genau so ist’s eben, aber das kriegt man den kleingeistigen „Frauen-werden-sooo-schlecht-behandelt“-Deppen ja einfach nicht beigebracht.

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    1. mrscgn sagt:

      Danke für Deinen Kommentar.
      Es ist eben nicht alles schwarz und weiß, es hilft der Sache der Frauen auch nicht, jeden statistischen Quark nachzuplappern. Und das ärgert mich daran am meisten.

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      1. ashyda sagt:

        Das ist ähnlich bescheuert wie dieses mit Gewalt Frauen in Jobs & Positionen „zwingen“ (Frauenquote), weil da „zu wenige Frauen arbeiten“. Dass nun mal mehr Frauen lieber was mit Kindern / Menschen / Tieren, oder „was mit Medien“ machen wollen, scheint dann erstmal keinen zu interessieren. Die wenigsten Frauen, die ich kenne, streben einen Job als bspw. Maschinenbauingenieur an oder wollen ihren Professor der Physik machen.

        Ne, das liegt dann aber nicht daran, dass Frauen nun mal andere Interessensgebiete haben, sondern nur daran, dass die bösen bösen Männer keine Frauen in ihrer Branche wollen. Ja nee, is klar.

        Natürlich gibt es wie immer Ausnahmen und denen sollte man ihre Karriere nicht durch kleinkarriertes Altherrengerede schlecht machen. Aber das ist dann doch eher die Seltenheit.

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  2. jobsupporter sagt:

    Ich muss sagen, dass mir der Artikel neue Einblicke verschafft hat, danke dafür.

    Ich verfolge selber das Thema und bin der Meinung, dass das Problem an der falschen Stelle gelöst wird.

    Ich bin aber der Meinung, dass Frauen schon einige Nachteile haben und man ihnen gerade bei Kindergeschichten nicht genügend entgegenkommt. Gerade die Frauen, die kein Geheimis daraus machen, eine Familie gründen zu wollen, werden eher abgelehnt als die Karrierefrauen.

    Das Problem ist die Mentalität selbst in Deutschland, irgendwie hält man sehr an alte Rollen fest und hält Familie und Beruf für unvereinbar. Dazu kommt, dass die Bedeutung von Kinder irgendwie abgenommen hat. Ich meine schon, dass eine Frau komisch angeschaut wird, wenn sie sagt sie habe vier Kinder.

    Wir sollten uns an Frankreich orientieren, die haben zu der Geschichte eine ganz andere Mentalität und ermutigen sogar Frauen zu Familie und Karierre, erhalten dafür Unterstützung und erhalten öffentlich Anerkennung dafür. Das Ergebnis: In Frankreich ist die Geburtenrate konstant, in Deutschland rückläufig.

    Das Thema ist letztenendes auch keine Raketenwissenschaft, warum man sich so schwer damit tut verstehe ich auch nicht.

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    1. mrscgn sagt:

      Dankeschön für den Kommentar.
      Die Mentalitätsfrage ist ein interessanter Hinweis. Da ist viel historisch gewachsen, und ich glaube schon, dass es noch eine Weile dauert, bis ein anderes Denken in die Köpfe einzieht. Umso wichtiger ist die Arbeit der Medien hier und natürlich der Eltern. Sie sollten es anders vorleben.

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  3. Katharina sagt:

    Hallo Liebes,

    Da ich jahrelang in dem Bereich geforscht habe (also Soziologin und als Statistikerin), muss ich Deinen Artikel kritisieren. Er beruht auf fehlerhaften Prämissen und Definitionen. Begriffe wie „Gender wage gap“, „Lohndifferenz“ oder „Lohndiskriminierung“ sind sehr präzise definiert und durchaus nicht synonym! Korrekt ist hingegen, dass diese Begriffe im öffentlichen Diskurs oft verwechselt und nicht klar genug abgegrenzt werden. Das passiert nicht nur Dir 🙂

    Interessant sind nicht die je nach Land und Berufsgruppe Lohn_unterschiede_ von 15-25% bei den Durchschnittslöhnen. Die sagen gar nichts aus. Interessant sind viel mehr nach dem Herausrechnen aller von Dir genannten (und noch einigen mehr) möglichen Erklärungsfaktoren übrig bleibenden (je nach Berufsfeld) 8-12% (Zahlen aus der Schweiz, ich kenne die Detailzahlen von DE nicht) NICHT durch andere Faktoren ausserm dem Geschlecht erklärbaren Unterschiede. Also das, was die Statistik dann Lohndiskriminierung nennt.

    Beim letzten Absatz gebe ich Dir grundsätzlich schon recht. Nur: Insbesondere in „frauenlastigen“ Berufsfeldern wie Detailhandel oder Krankenpflege sind die durchschnittlichen Lohnunterschiede am grössten, bedingt durch die Tatsache, dass Aufstiegschancen für Männer überproportional sehr viel höher als die Aufstiegschancen für eine Frau (unabhängig ihrer Qualifikation oder Lebenssituation) sind. Es lohnt sich schon, darüber nachzudenken, ob man das nur durch individuelle Faktoren erlären will oder man vielleicht doch auch mal strukturelle Faktoren als mögliche Erklärung in Betracht ziehen will.

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    1. mrscgn sagt:

      Dankeschön für Deine kritischen Hinweise.

      Mein Punkt bleibt allerdings: Ich kann mit der Pauschalaussage, dass Frauen allgemein weniger verdienen als Männer, nichts anfangen. Unter Gender-Pay-Gap verstehe ich ganz simpel (und das ist nur die Übersetzung) einen geschlechtsspezifischen Lohnunterschied. So, wie Du es in Deinem zweiten Absatz beschreibst. Und dieser ist in Deutschland eigentlich verboten, dafür gibt es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), schau mal hier. Das heißt: Betroffene können klagen, wenn sie sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert fühlen, etwa beim Lohn/Gehalt.

      Und jetzt kommen wir zu den von Dir angesprochenen strukturellen Faktoren. Die stelle ich nicht in Abrede; einen sehe ich ja darin, dass Tätigkeiten, die u.a. auch aus historischen Gründen vorwiegend von Frauen ausgeübt werden, offensichtlich so wenig wertgeschätzt werden (wenn wir Wertschätzung hier einmal pekuniär meinen). Das gehört geändert, dringend.

      All das ändert nichts daran, dass ich es zu einfach finde, sich hinzustellen und zu sagen: Frauen verdienen weniger, weil sie sich die „falschen“ Jobs aussuchen oder weil die Männer das so wollen. Ich glaube, wir haben da (abgesehen von gewissen Begrifflichkeiten, die Du ganz sicher besser differenzieren kannst) gar nicht so viel Dissens. 🙂

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  4. jobsupporter sagt:

    Ich möchte noch einwerfen, dass das Gehalt nicht das einzige Problem sein muss. Die Lebensplanung für Frauen ist zB. auch wichtig und da harpert es ziemlich.

    Oft ist nicht nur das Gehalt ein Problem, sondern die Tatsache, dass Frauen sich oft zwischen Familie oder Karriere entscheiden müssen (!). Obwohl es Gesetze dazu gibt, haben viele Arbeitgeber ein Problem damit, wenn Frauen (auch Männer!) sich eine Elternzeit nehmen und sich mehrere Wochen von der Arbeit befreien. Das wird wegen dem Gesetz zähneknirschend hingenommen, aber Verständnis gibt es nicht. Nicht selten wird dann sogar im Anschluss nach Vorwände gesucht, um diese Arbeiter (Mann und Frau) zu kündigen.

    Das ist das Problem mit der Mentalität. Und das Thema ist einfach mehr als eine Gehaltsfrage, denn sie beeinflusst komplett die Lebensplanung von Menschen. Deswegen wird auch die Frauenquote und Anpassungen vielleicht die Situation etwas verbessern, aber es wird das Kernproblem nicht lösen.

    Ich meine die ganze Frau und Mann Debatte im Beruf hat auch überwiegend damit angefangen, dass Familie und Beruf für viele Frauen nicht vereinbar ist (und teilweise auch nicht für Männer). Frauen denken nunmal auch über Familiengründung nach, wollen aber nicht nur Hausfrau werden, sondern auch Karriere machen. Und ab da fängt schon das Problem an, denn Arbeitgeber sehen in werdende Mütter nichts anderes als unnötige Kosten, die man um’s Verrecken vermeiden möchte.

    Ich merke gerade, das Thema ist vielleicht doch so kompliziert wie Raketenwissenschaft…

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