Im Leserausch – Denkarium (2)

Was für intensive Tage in dieser Woche! Ich habe ein komplettes Buch in nur drei Tagen ausgelesen, mich durch diverse Blogposts gewühlt, Twitter verfolgt und noch mehr weitergelesen – ich war in einem Leserausch. Meine Gedanken dazu:

Lesen Nummer I: „Der Sohn“, Jo Nesbö

Ich habe sie alle gelesen, die Krimis um den durchgeknallten Ermittler Harry Hole, und ich dachte: Das war großartig, zu schade, dass die Reihe beendet wurde. Ich habe mich nun getraut, mit „Der Sohn“ ein anderes Buch dieses Autors zu kaufen, und das war eine gute Entscheidung. Es geht um einen jungen Mann, der im Gefängnis sitzt. Er ist der Sohn eines Polizisten, der nicht mehr lebt. Dessen Tod hat ihn extrem mitgenommen. Als er im Gefängnis erfährt, dass sich das mit dem Tod seines Vaters ein wenig anders verhalten hätte als er immer gedacht hatte, plant er einen Rachefeldzug. Und der hat es wirklich in sich … Die Erzählweise erinnerte sehr an Hole, die Spannung war ab der Mitte des Buches kaum auszuhalten. Ein echter Pageturner, der dazu führte, dass ich am Samstag erst gegen ein Uhr ins Bett fand. Ich war zwischendurch so vertieft, dass ich es nicht mitbekam, dass mein Mann mir mehrfach Schokolade anbot.  Also: Wer skandinavische Krimis mag, ist mit diesem Buch wirklich gut bedient.

Lesen Nummer II: Beiträge von SPIEGEL und FAS zum Thema Kinder in der Schule*

Artikel über den Alltag an den Schulen oder über Bildungskonzepte triggern mich. Als Mutter zweier Schulkinder bin ich recht nahe am Geschehen, und ich hadere sehr grundsätzlich mit dem Bildungssystem, mit dem wir uns hier (leider) arrangieren müssen. Und die beiden aktuellen Artikel bestätigen mich darin nur noch mehr. Einer davon ist die aktuelle Titelgeschichte des SPIEGEL, in der es – verkürzt – um die Frage geht, ob unsere Kinder überhaupt das Richtige in der Schule lernen, ob nicht zu viel Wert auf Noten statt auf andere Dinge wie Selbständigkeit, Problemlösungsfähigkeit usw gelegt wird. Derzeit sei viel (an den weiterführenden Schulen) Auswendiglernerei für Klassenarbeiten angesagt, die nicht nachhaltig sei, es werde davon vieles schnell vergessen. Aufgrund eines zum Teil antiquierten und überfrachteten Lehrplans und sicherlich (teilweise) auch wegen überforderter Pädagogen liefe vieles darauf hinaus, dass die Schüler für Noten paukten, die letztlich nicht viel über ihr Können aussagten. Tja nun.

Im Interview mit Heinz-Peter Heidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, wird die Frage nach dem Sinn der Nachhilfe, des Coachings der Kinder gestellt (FAS vom 28.08., S. 13). Hausaufgaben seien seiner Ansicht nach häufig didaktisch nicht klug aufgebaut, und er redet einer neuen Feedbackkultur das Wort: „Der Lehrer soll sich möglichst oft Feedback von den Schülern holen …“, sagt er.

Ich weiß nicht: Theorie und Praxis scheinen mir in Sachen Schule häufig nur wenig miteinander zu tun zu haben. Theoretisch ist ja alles bekannt und klar, praktisch offensichtlich nur von geringer Bedeutung. Es ist nicht so, dass ich die Bildungsverantwortung ausschließlich bei der Schule sehe – im Gegenteil. Aber dass sie so wenig ein Partner der Eltern dabei sein kann aufgrund vieler verschiedener Ursachen und Umstände, macht mich schon traurig.

Lesen Nummer III: Die Bloggerei an sich

Bloggen in einem Blogpost zu thematisieren, ist ja immer ein bisschen schräg, finde ich. Aber ich  habe dazu mal wieder einiges gelesen bzw. aufgeschnappt. Sonja hadert mit der Bloggerei ganz grundsätzlich (Warum mache ich den Quatsch?), Katarina beklagt sich ein wenig über die Ungeduld der jungen, der neuen Blogs in Sachen kommerzieller Erfolg und diese ewige Vergleicherei. Gleichzeitig wird auf Twitter angeregt, nur noch dann zu bloggen, wenn es auch wirklich etwas zu sagen gibt:

Die Diskussion dazu fand ich interessant. Offensichtlich ist genau das eingetreten, was ich an anderer Stelle bereits zum Ausdruck brachte: Wenn zu viele immer das Gleiche und mit der gleichen Lautstärke vortragen, wird es am Ende nicht mehr gehört. Die Artikel werden sich – den Kooperationen sei Dank – immer ähnlicher, unbequemen Diskussionen geht man aus dem Weg, es wird auch immer weniger kommentiert. Stattdessen betreibt ja jede(r) sein eigenes kleines Blog.

Ich nehme mich von vielen Dingen nicht aus: Ich lese kaum noch in kommerziellen Blogs (einfach, weil sie mich nicht interessieren; nicht, weil sie schlecht gemacht wären, denn das ist nicht der Fall), ich diskutiere auch deutlich weniger als noch vor Monaten, ich sammele meine Gedanken hier. Die Erfahrung hat mir gezeigt: Meine Meinung ist im Grunde nur erwünscht, wenn sie jene, zu der ich mich äußere, mehr oder weniger bestätigt oder zumindest ergänzt, also im weitesten Sinne dazu passt. Konträre Ansichten werden vielleicht geduldet, Auseinandersetzung damit findet nicht statt. Warum auch? Und da liegt der Hase im Pfeffer und wahrscheinlich auch ein Thema, wozu es zu bloggen lohnt: Können wir nur noch in unseren eigenen Filterbubbles zufrieden sein? Wann hat es aufgehört, spannend zu sein, sich mit anderen, vielleicht konträren Ansichten auseinanderzusetzen? Wohin führt die zu beobachtende Angepasstheit, um sich für Werbetreibende (also zahlende Kunden) als Blogger interessant zu machen? Ändert sich das Leseverhalten, und wie wirkte sich das auf die kommerziellen Blogs aus?

Diesen Tweet finde ich pointiert, witzig .. aber ist es das, worum es wirklich geht?

Lesen Nummer IV: Jetzt wird es philosophisch

So viele Fragen, so manche haben sich in anderer und viel klügerer Form auch Philosophen gestellt. Durch einen Tweet entdeckte ich das Interview mit Byung-Chul Han in der ZEIT. Der Text ist zwei Jahre alt, hat aber nichts von seiner Aktualität eingebüßt, wie ich finde – und er passt gerade ganz wunderbar zu meinen Ausführungen unter III. Ein Beispiel: „Wir leben in einem Zeitalter des ‚Like‘. Es gibt keinen ‚Dislike‘-Button bei Facebook, es gibt nur ‚Like‘. Und dieses ‚Like‘ beschleunigt Kommunikation, während ‚Dislike‘ die Kommunikation stocken lässt. Auch eine Verletzung lässt die Kommunikation stocken. Selbst die Kunst will heute nicht mehr verletzen. […] Heute entsteht eine Kultur der Gefälligkeit.“ Ich empfinde das auch so, es gefällt mir jedoch nicht so besonders.

Der Artikel ist aber zur Gänze lesenswert. Seite 5 kann ich empfehlen, hier: „Der Sprache wird heute die Sprache genommen. Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Lärm, einen Kommunikationslärm, auf der anderen Seite eine unheimliche Stummheit. Und diese Stummheit unterscheidet sich vom Schweigen. Schweigen ist sehr beredt. Schweigen hat eine Sprache. Stille ist auch beredt. Stille kann auch Sprache sein. Aber der Lärm und die Stummheit sind ohne Sprache. Es gibt nur sprachlose, lärmende Kommunikation, das ist ein Problem. Heute gibt es nicht einmal Wissen, sondern nur Information. Wissen ist etwas ganz anderes als Information. […] Heute leben wir mit einem Terror des Dilettantismus.“

Manchmal ist es nötig, sich auf die Ebene solcher Gedanken zu begeben, um die ganz alltäglichen Kleinigkeiten, Probleme, Aufgaben einordnen zu können, sie vielleicht auch zu relativieren. Sie bieten bestimmt nicht sofort die Lösung, aber eventuell schaffen sie es, den Horizont so zu erweitern, dass ein Lösungweg sichtbar wird, der mal so ganz anders ist. Ich bin da sehr gespannt.

*Leider sind beide Texte (noch) nicht online verfügbar.

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