Die #swissblogfamily wirkt noch nach. Viele andere Teilnehmer haben ihre Sicht auf die Dinge verbloggt, eine Übersicht gibt es hier. Mir ist aufgefallen, dass Einigkeit herrscht über die wirklich angenehme Professionalität der Organisation, dass es viel Verlaufsberichterstattung gab, von der ich mich ehrlich frage, wie Leser, die nicht dabei waren, so was finden, dass aber ein Thema ganz besonders berührte: Ich spreche von der Glaubwürdigkeit eines Bloggers. Inzwischen scheint sie zu einem äußerst wichtigen Kriterium (ja, zu einer Währung) geworden zu sein, wenn es darum geht, sich für Kooperationen mit Firmen zu empfehlen.
Ich bin authentisch, also bin ich glaubwürdig?
Ich habe mich dazu lange mit @ladysparfuxx im Zug ausgetauscht, und ich habe auch mal ein bisschen tiefer im Netz gegraben, wie diese Glaubwürdigkeit denn überhaupt zu definieren ist. Ich hätte nicht für möglich gehalten, wie unterschiedlich die Wahrnehmung dazu ist. Das hängt, so meine ich, auch damit zusammen, dass ein wenig Verwirrung über die Begrifflichkeiten besteht – deutlich wird das zum Beispiel im Blog anyworkingmom, die sich auf meinen Blogpost beziehend fragt, ob Blogs, die sich einige Tabus auferlegen, noch authentisch sein könnten. Ich hob jedoch auf die Glaubwürdigkeit, nicht auf die Authentizität ab. Es stellt sich also die Frage, ob sich Glaubwürdigkeit und Authentizität unterscheiden – benutzt wird es häufig synonym. Für mich klingt logisch, was dazu Conrad Giller hier formuliert hat:
Glaubwürdigkeit ist das Ergebnis einer Entscheidung des Empfängers darüber, ob jemand halten wird, was er verspricht. Es ist das Ergebnis einer sehr subjektiven Bauchentscheidung einer einzelnen Person, egal wie viel Rationalität man sich dabei einredet. Auch wenn man umgangssprachlich sagt ‚Der ist glaubwürdig‘ meint das tatsächlich ‚Ich glaube ihm‘.
Genau so meine ich es, wenn ich sage: Diesen Menschen finde ich glaubwürdig. Ich glaube ihm. Ich habe das Gefühl (!), er meint ehrlich, was er sagt – ob es tatsächlich wahr ist, entzieht sich in diesem Moment meiner Kenntnis. Ich kann nur erst einmal glauben, dass es so ist. Schauspieler zum Beispiel, oder auch Hochstapler, strahlen oft eine große Glaubwürdigkeit aus, doch sind sie auch authentisch? Noch einmal Giller:
Authentizität ist dagegen eine Eigenschaft. Sie ist das Ergebnis einer Qualitätsprüfung, die besagt: ‚Da ist nur drin, was draufsteht!‘ In unserem Fall ist es die Eigenschaft, dass sich jemand so darstellt, wie er wirklich ist.
Mit anderen Worten: Ich kann jemanden durchaus glaubwürdig finden, ohne dass er authentisch ist. Aber: Es kann auch jemand authentisch sein, aber durchaus unglaubhaft wirken. Giller:
Authentisch kann ich als Mensch sein, mit all meinen Gefühlen und Gedanken. Glaubwürdig muss ich mit meiner Darstellung vergangener Ereignisse sein oder mit meinem Versprechen, eine Aufgabe auf eine bestimmte Art zu lösen. Das beides unter einen Hut zu bringen, erfordert manchmal, auch über seine Gefühle zu sprechen, um sowohl die zwei Herzen in der Brust transparent zu machen als auch die Art, damit umzugehen.
Ich finde es sehr wichtig, diese Begriffe klar voneinander zu trennen. Auf diese Weise wird auch klar, was letztlich einen Blogger glaubwürdig macht. Natürlich gehört die Authentizität dazu, sie ist aber, um mit Giller und der Mathematik zu sprechen, nur eine vielleicht nötige, aber keine hinreichende Bedingung. Es gehört deutlich mehr dazu:
Ehrlichkeit
Aufrichtig zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, immer alles zu erzählen bzw. alles zu kommentieren. Doch wenn ich etwas sage, sollte es meiner Meinung, meinem Kenntnisstand entsprechen. Klar kann ich auch sagen, dass beim HSV alles toll sei (obwohl wenig dazu gehört, vom Gegenteil überzeugt zu sein), aber dann wäre das unehrlich und in meinem Fall absolut unglaubwürdig.
Erwartungsmanagement
Man könnte dazu auch sagen: Versprich nur, was Du auch halten kannst. Tu das, was Du sagst. Der Verlust an Glaubwürdigkeit resultiert ganz häufig aus enttäuschten Erwartungen. Diese wiederum entstehen ja nicht aus dem Nichts, sondern sind in gewisser Weise steuerbar. Wenn ich hier zum Beispiel sage, dass ich gelegentlich über den HSV schreibe, mich dann aber doch über den unaussprechlichen Verein von der Weser* auslasse, dann muss ich mich über den Verlust von Glaubwürdigkeit nicht beschweren. Ganz eng damit hängt auch zusammen:
Konsistenz und Konsequenz
Ich sollte nicht heute etwas toll finden, was ich morgen unbegründet (!) doof finde. Aussagen, die ich heute treffe, sollten optimalerweise auch morgen noch gelten. Wie ernst nähme man mich sonst? Es hat ein wenig mit Berechenbarkeit zu tun; das bzw die Gegenüber möchten wissen, woran sie bei mir sind. Alles andere verwirrt und kostet unter Umständen Glaubwürdigkeit.
Nun fällt aber auf, dass Blogger bei der Glaubwürdigkeit vor allem die Frage stellen, ob es in Ordnung sei, mit Bloggen Geld zu verdienen, ob Affiliate Links die Glaubwürdigkeit gefährdeten, wie Produkttests sich auf eben jene auswirkten, hier zum Beispiel. Für mich sind Authentizität und Glaubwürdigkeit ganz grundsätzliche Dinge in der Kommunikation, und nicht nur in diesem schmalen Zusammenhang zu sehen. Denn sowohl für die professionellen, semi-professionellen und die Hobbyblogger gilt: Wer ehrlich ist, transparent macht, was er tut und dies nicht praktisch täglich ändert, wer die Erwartungshaltung seiner Leser ein wenig lenkt**, wird kein Problem mit der Glaubwürdigkeit bekommen. Schwierig wird es aus meiner Sicht, wenn Blogger meinen, eine Rolle spielen oder einer selbstgewählten „Marke“ stets entsprechen zu müssen. Wer das gut macht, wird vielleicht glaubwürdig erscheinen – aber wird er auch immer authentisch sein? Oder anderherum: Ich bin authentisch, bin also immer ich, nehme es aber mit der Ehrlichkeit nicht immer so genau. Es geht schließlich keinen was an, ob ich in der Stadt oder auf einem Dorf wohne, es ist auch völlig egal, ob ich mich mit einem Mann oder einer Frau streite, und eigentlich spielt es auch keine Rolle, ob ich über mein eigenes Kind oder meinen Neffen schreibe. Bei aller Authentizität – glaubwürdig ist so was für mich nicht. Eben weil ich finde, dass all das durchaus relevant sein kann. Und weil ich als Leser gerne weiß, woran ich bin. Ich möchte nicht angelogen werden. (Es passiert ja dennoch oft genug.)
Hinzu kommt: Mir persönlich wäre all das zu anstrengend. Wenn ich anfange, an einem Bild zu arbeiten, von dem ich möchte, dass die Öffentlichkeit es von mir hat, würde mich das schlicht zu viel Energie kosten und mir keinen Spaß machen.
Übrigens: Laut einer Statistik halten knapp 40 Prozent der Bundesbürger Blogger nicht für glaubwürdig (Statista, 2009). Um es mit Meg Ryan in „Harry & Sally“ zu sagen: So you do the math.
*Ich habe überhaupt nichts gegen Werder Bremen, aber ich pflege diese kleine Rivalität sehr liebevoll.
**Ich habe tatsächlich ein Blog gefunden, in dem das aus meiner Sicht vorbildlich gelöst wurde: Frau Krähe schreibt gar klar, was ihr Blog ist, und vor allem, was nicht. So stelle ich mir das vor – klares Erwartungsmanagement.
Genau das hat mich bei meinem aktuellen Blogpost auch beschäftigt. Mehr Ehrlichkeit, weniger Authentizität schreibe ich da so in etwa. Im Gegensatz zu Dir hab ich aber vermutlich nicht so recht rausgearbeitet, was ich damit meine. Dazu war kein Platz mehr ; ) Ich lese dich sehr gerne!
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Ich habe ja das Gefühl, dass diese Idee, ein Bild von sich zu zeichnen, von dem man will, dass die Öffentlichkeit es so wahrnimmt, immer mehr Anhänger findet. Doch wer das nicht beherrscht, macht sich lächerlich.
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