Maximal mittelmäßig: „Tote Mädchen lügen nicht“

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Eine Premiere hier in meinem Blog! Ich muss sie loswerden, meine Meinung zum Buch „Tote Mädchen lügen nicht“ von Jay Asher.  Das Buch erschien zuerst 2007 in den USA und ist in Deutschland sehr erfolgreich gewesen, es stand lange weit oben in der Spiegel-Bestseller-Liste. Ich habe es als Taschenbuch-Ausgabe innerhalb von zwei Tagen durchgelesen und bin, um es mit einem Wort zu sagen, irritiert. Was fanden die Leser an diesem Buch? Wie kann es sein, dass es für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war? Aber der Reihe nach:

Worum geht es?

Ein Mädchen, Hannah Baker, im Highschool-Alter nimmt sich das Leben. Vor ihrem Tod bespricht sie sieben Kassetten, eine davon nur einseitig. 13 Geschichten. Darauf legt sie die Gründe für ihren Suizid dar und verschickt diese an eine Person, die sie die nächste Person, die auf den Kassetten erwähnt wird, weiterschicken muss. 13 Personen, die sie aufgrund ihres Verhalten mehr oder weniger mitverantwortlich macht für ihre Entscheidung – das Original heißt dementsprechend „Thirteen reasons why“.  Der Erzähler ist Clay, ein Mitschüler von ihr, der einer dieser 13 ist; der Leser begleitet ihn beim Abhören der Kassetten und erfährt viel darüber, wie Clay es sieht, wie er sich dabei fühlt, wie er leidet – körperlich und seelisch.

Botschaft

Die wird eigentlich schon sehr früh klar: Liebe Leute, passt auf, was ihr zu einem Menschen sagt. Ihr trefft ihn immer in einer euch unbekannten Situation, ihr wisst nicht, wie es bei ihm ankommt, seid vorsichtig und behandelt andere nur so, wie ihr selbst behandelt werden wollt. Es klingt banal und selbstverständlich, aber das muss halt dramatisch erzählt werden – mit einem Selbstmord. Für mich ist das in jeder Hinsicht zu dick aufgetragen und an keiner Stelle des Buches glaubwürdig erzählt. Zwar wird kurz in drei Zeilen erwähnt, dass es auch weitere Hintergründe im Leben von Hannah gibt, die zu ihrer Situation führten, näher ausgeführt werden diese nicht. Es bleibt daher nebulös und schlicht unklar. Es entsteht der Eindruck, dass diese 13 erzählten Gründe wesentlich und quasi der Auslöser für Hannahs Entscheidung waren, und das ist mir dann doch zu einfach. Ich halte das auch für eine falsche Botschaft an junge Menschen. Aufeinander achtzugeben ist eine zu ernste Angelegenheit, als sie so drastisch zu überhöhen und damit unglaubwürdig zu machen.

Wie ist die Geschichte erzählt?

Erzähler Clay schreibt in der Ich-Form, die Stimme auf der Kassette ist kursiv gedruckt, so dass immer klar ist, wo sich die Erzählung gerade befindet. Die Geschichte wird zu Beginn langatmig und wirr erzählt, ich habe mich die ersten 50 Seiten gequält. Aber der Mitte des Buches nimmt die  Geschichte Fahrt auf und entwickelt eine gewisse Spannung – als Leser möchte man wissen, wie es weitergeht, wer die nächste Person ist, die Schuld ist. Es ist ja immer wichtig, Schuldige zu haben, die Welt ist eben gut oder böse. Jaja.  Allerdings geht die Spannung auch wieder verloren, als die Person des Erzählers auf der Kassette angesprochen wird. Clay passt nämlich gar nicht auf die Liste, sondern ist eigentlich der Einzige, der sich nicht schuldig gemacht hat – und was soll danach dann noch kommen?! Für mich passte das dramaturgisch nicht wirklich, obwohl es die Gründe 12 und 13 in sich haben.

In der Geschichte ist einfach alles sehr typisch amerikanisch: Dieses Gehabe der Mädchen, diese vermeintliche Prüderie (auf Partys zieht man sich natürlich in Schlafzimmer zurück und „macht rum“), die Oberflächlichkeit. Für letzteres steht vor allem diese Szene: Hannah hatte im Kommunikationsunterricht das Thema Selbstmord vorgeschlagen. Dass das wenig Interesse auslöste, okay. Dass aber als Schlusssatz stehen bleibt, dass sich der- oder diejenige, der/die das vorschlug, doch nur wichtig machen wollte, sonst wäre er/sie ja nicht anonym geblieben, ist für mich ein Klischee. Teenies in ihrer Mehrheit als so völlig unachtsam darzustellen, finde ich merkwürdig.

Beste Szene

Hannah hat einen Mitschüler quasi eingeweiht, ihm einen zweiten Satz der Kassetten gegeben, um sicherzustellen, dass die Empfänger (einer muss die Kassetten immer eine vorher bestimmte Person weiterschicken) ihre Post erhalten und auch angehört haben. Als dieser Mitwisser nimmt er Clay an einem Abend im Auto mit und bittet ihn, das Kapitel, das Clay betrifft, im Auto anzuhören. Der Dialog zwischen den beiden Jungs, so wenig Worte er auch enthält, geht nahe.  „Clay, ich muss wissen, dass alles in Ordnung ist mit Dir.“ Ich habe ihm diese Sorge geglaubt.

Seltsamste Szene

In der Klasse wird ein Zettel herumgereicht mit einer Liste. Gefragt wurde nach dem heißesten Mädchen mit dem geilsten Po. Diesem wurde immer eines gegenübergestellt, für die genau das Gegenteil gilt. Hannah steht auf der Seite „hot“, ihre Mitschülerin Jessica, von der sie dachte, sie sei doch viel hübscher als sie selbst, stand gegenüber unter „not“. Daraus konstruiert Hannah aber einen Konflikt ganz anderer Art: Der Zettelschreiber Alex, wie Hannah ein „Zugereister“ ,wollte damit angeblich Jessica, die bei „not“ stand, verletzen. Als Hannah das Mädchen damit konfrontiert, flippt diese aus und schlägt Hannah. Es wird überhaupt nicht klar, warum dieses Dreigestirn, das zuvor als Freundeskreis beschrieben wurde, das sich regelmäßig traf und einander vertraute, auf einmal so wütend aufeinander war.  Und das war also auch einer von 13 Gründen, warum sich Hannah das Leben nahm?

Warum dieses Buch?

Unsere ältere Tochter las im Deutschunterricht dieses Buch. Es wurde im Unterricht besprochen, sie mochte es nicht, fand es langatmig und belehrend.  Doch es erlangte eine traurige Bedeutung, als es dann in der Klasse einen Fall gab, in dem eine Person ankündigte, sich etwas anzutun. Das hat die Kinder extrem mitgenommen, sie haben stundenlang abends telefoniert und sich darum bemüht, der Person zu helfen, für sie da zu sein. Das betroffene Kind hat Hilfe bekommen und ist, soweit es möglich ist, das zu sagen, auf einem guten Weg. Ich wollte das Buch lesen, um zu verstehen, warum die Tochter das Buch trotz dieser Erfahrung doof fand, ihr ein guter Gesprächspartner sein und auch ein bisschen die Welt von Teenagern verstehen. Ersteres klappte gut, zweiteres ist fehlgeschlagen.

Muss man das Buch gelesen haben?

Definitiv nicht. Diese Lektüre hinterließ mich im negativen Sinn verstört, weil ich mich ständig fragte: Wie bitte? Eine Geschichte, auch eine ausgedachte, lebt davon, dass der Leser sie für wahr halten könnte oder sich zumindest richtig gut unterhalten fühlt. Dieses Buch bietet weder das eine, noch das andere. Es ist flach, eindimensional, langweilig. Ständig hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass da jemand mit einem extrem großen erhobenen Zeigefinger unterwegs ist. Und das nervte.

Dass so was als Unterrichtslektüre funktioniert, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

 

 

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