Von der Anstrengung, als Mutter Frau zu sein

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Schon, wenn ich meine eigene Überschrift lese, verdrehe ich die Augen. So sehr nervt es mich. Aber dass es mich nervt, hat Gründe, und ich bekomme immer wieder neue geliefert. Neulich las ich einen sehr interessanten Blogpost von Journelle dazu, der mich natürlich nicht nervte, sondern einfach wieder daran erinnerte. Um es für mich ein für alle Mal klar zu haben, hole ich mir die Textpassagen heraus, die mich im Verlauf der vergangenen zwei Jahre wirklich aufgeregt haben.

Mutterschaft bereuen

Vor knapp zwei Jahren veröffentlichte die Israelin Orna Donath die Ergebnisse ihrer (zugegeben kleinen) Studie, in deren Verlauf deutlich wurde, dass es Mütter gibt, die nicht wieder ein Kind bekämen, könnten sie die Zeit zurückdrehen. Einen lesenswerten Beitrag dazu gibt es in der Süddeutschen Zeitung. Inzwischen gab es auch eine weitere Befragung durch ein Meinungsforschungsinstitut dazu, hier können die Ergebnisse nachgelesen werden. Nun ist es nicht so, dass ich meine Mutterschaft bereue, doch ich habe da zwei Dinge, die mich bewegen: Zum einen hätte ich mir durchaus vorstellen können, ohne Kinder zu sein. Ich halte Kinder für eine nicht hinreichende Bedingung, um glücklich zu werden. Einfach, weil ich mehrere Wege zum Glück sehe und die Freiheit feiere, dass jeder eben seinen finden darf. Zum anderen haderte ich im Verlauf meines Mutterdaseins durchaus mit diesem Zustand. Journelle hat das gut zusammengefasst:

… so fühlte ich mich nach der Geburt allein gelassen mit dem Kind, wurde aber gleichzeitig von den Standards der „guten Mutter“ überwacht. Ich habe in den Monaten der Elternzeit Wege für mich gefunden, gut damit umzugehen. Aber ich verstehe jetzt jede Frau mit einer postnatalen Depression oder dem Gefühl, die Mutterschaft zu bereuen. In unserer Gesellschaft ist Mutterschaft sehr eng verbunden mit der Erwartung an eine weibliche Selbstaufgabe.

Genau das ist der Punkt. Mütter scheinen in einen Bedürfniswettbewerb treten zu müssen, in dem sie sich auch noch freiwillig in die letzte Reihe stellen. Ich wollte das nie und habe es auch nicht wirklich getan.  Das Konzept der Selbstaufgabe für jemanden ist mir einfach fremd, und natürlich habe ich mich daher im Verlauf der vergangenen Jahre (ja, auch mit Blick auf meine ständige Berufstätigkeit) mehr als einmal gefragt: Bin ich überhaupt eine gute Mutter? Hätte ich das Kinderkriegen nicht lieber sein lassen sollen? Dass mich die Gesellschaft, das „Mütter“-Umfeld und selbst Bekannte das haben fragen lassen, nehme ich ihnen übel. Womit wir beim nächsten Thema wären:

Aus der Frau wird das Mutti

Es ist wirklich interessant: Sobald eine Frau geboren hat, wird sie als Frau – also einfach so als Frau – kaum noch wahrgenommen. Sie wird zum Mutti. Ich habe das Neutrum sehr bewusst verwendet, weil es besser zu dem passt, wie ich es lange empfunden habe. Im Job gucken Chefs weniger darauf, was Du als Frau (als Mensch) so kannst, sondern fragen im Erstgespräch danach, wie Du das mit den Kindern hinbekommst. Du darfst sie haben, die Kinder, aber man darf es nicht bemerken, sonst bist Du halt, na? Genau, ein Mutti. Als solche hast Du Dich für bestimmte Themen zu interessieren, im Kindergarten für Flohmärkte zu backen, an St. Martin am Laternenumzug teilzunehmen, im Advent zu basteln, später in der Schule bei Festen abzuwaschen oder aufzuräumen. Für Themen, die mich als Frau interessieren und vielleicht auch weiterbringen würden, bleibt da – logisch – nur wenig bis gar kein Raum und schlicht keine Zeit. Selbst dann nicht, wenn der Partner mitzieht.  Noch einmal Journelle:

Bei uns wird die Frau mit Kind zur Mutti. Jemand, der sich kümmert und arbeitet, aber gleichzeitig nicht besonders ernst genommen wird. Muttis kommen nicht ins Feuilleton, sie schreiben Blogs und Bücher für andere Muttis. Sie sind eng mit dem Privaten verbunden, und sobald es politisch wird, sind sie nur als Zaungäste geladen.

Und genau das ist das Dilemma: Als Mutti bist Du oft allein unter Muttis. Selbst die großen politischen Themen haben in der Regel wieder irgendetwas mit Muttis zu tun. Der SPIEGEL schreibt unter der Überschrift „Zweite Reihe“ von einem vermeintlichen Frauenproblem bei den Grünen*. Dort gilt zwar die Quotenregel bei der Besetzung von Posten, doch bei der Themenaufteilung, so das Blatt, sei es oft klassisch: „Um Familienpolitik kümmern sich fast nur die Parlamentarierinnen, von elf Mitgliedern im Arbeitskreis sind neun Frauen. … Im Arbeitskreis Außenpolitik sitzen dagegen sieben Männer und nur drei Frauen. … Der Kampf um Einfluss und Inhalte wird bei den Grünen unter Männern ausgetragen.“ Ich möchte ergänzen: Nicht nur dort. Mich macht das wirklich wütend, denn natürlich haben wir Frauen es zu einem Teil auch in der eigenen Hand, als Frau wahrgenommen zu werden, die sich mit mehr auskennt als mit Familien- und Bildungsfragen. Doch dafür müssten wir Frauen (und ich beziehe mich da ausdrücklich mit ein), die wir auch Mütter sind, heraus aus unserem vertrauten Umfeld und uns mit Themen beschäftigen, die mal nichts mit Kind, Haushalt, Kindergarten und Schule zu tun haben. Selbstverständlich gibt es Mütter, die das tun (ein Beispiel ist die Hilfe für Flüchtlinge), doch es sind aus meiner Sicht zu wenige. Und schließlich: Wie viele wirklich (!) einflussreiche Frauen sind auch Mutter? Ich wünsche mir, wie ich es im vorangegangenen Blogpost schon zitiert habe, einfach mehr Frauen, die so Mutter sind, wie Männer Väter: auch! Und nicht nur!

*Quelle: Spiegel, 3/2017, S. 38 f

**Wie tief dieses Frau-Mutter-Familien-Ding auch in mir sitzt, merke ich gerade, als ich diesen Post in der Kategorie „Familiäres“ einsortieren wollte. Ich ärgere mich sehr darüber.

 

6 Kommentare Gib deinen ab

  1. These eins: Frauen müssen in unserer Gesellschaft immer noch „besser“ sein als Männer, gelangen dennoch bekanntlich in vielen Branchen kaum je in Führungspositionen. Die zwar gesetzeswidrigen, jedoch de facto unverändert weit verbreiteten Unterschiede bei der Entlohnung (Fauen/Männer) verschärfen den sozio-ökonomischen Druck vor allem auf Frauen;
    These zwei: Von einer unproblematischen Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind wir u.a. angesichts der weit verbreiteten Gehaltsunterschiede und z.B. vielerorts fehlender Kita-Plätze weit entfernt. Die Alternative, sich z.B. ein „Vater-Jahr“ zu nehmen, erledigt sich bei vielen Partnerschaften sofort nach einem kurzen Blick auf die Gehaltsabrechnungen.
    These drei: Die Arbeit in absoluten Führungspositionen geht fast durchweg zu Lasten der betroffenen Familien (Stichwort: „abwesende Väter“), allerdings wird dies bei Männern meist (noch) toleriert, bei Frauen traditionell nicht. Andere Arbeitsformen (z.B. Home-Office) könnten in einigen Bereichen ein Ausweg sein, bergen aber auch u.a. die Gefahr der totalen (Selbst-)Ausbeutung.
    These vier: Statt die gesellschaftlichen Ursachen der Ungleichheit und Ausbeutung breit zu diskutieren und ggf. zu beseitigen, profitieren ganze Industrien innerhalb des Systems von der sozialen Ungerechtigkeit: Psychologen, Frauen-/Männerzeitschriften, allgegenwärtige Ratgeber-Bücher und und und wollen uns letztlich verkaufen, wie man (angeblich) eine gute Mutter, ein großartiger Vater wird, den besten Sex hat, attraktiv, hip und erfolgreich wird oder bleibt. Nicht die gesellschaftliche Diskriminierung, so wird suggeriert, sei das Problem, sondern das angeblich noch nicht ausreichend selbstoptimierte Individuum. Praktischerweise haben die genannten Profiteure natürlich ein ganzes Produktarsenal, (Therapie-)Kurse, Workshops, Bücher etc zur Hand – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
    These fünf: Wir erleben fast täglich eine mediale Dauerberieselung, die uns nahelegen will, dass jeder ein möglicher „Superstar“ sein könnte, so er/sie sich denn nur ausreichend anstrengt.
    These sechs: Die Individualisierung angeblicher Defizite von Frauen (und zunehmend auch von Männern) in dem von mir hier gemeinten Sinne sei es, um im Bild zu bleiben, als Frau, Mutti, Liebhaberin oder was auch immer, ist nicht nur oft unehrlich, sie stabilisiert letztlich exakt das gesellschaftliche System, das diese erzeugt, aufrecht erhält und das maßgeblich von ihnen profitiert. Und wir machen (fast) alle dabei mit.

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    1. mrscgn sagt:

      Danke Dir für Deine Gedanken. Besonders die These 6 bringt es auf den Punkt, was mich auch sehr umtreibt: Wir stabilisieren durch viele unserer Verhaltensweisen das System, anstatt daran zu arbeiten, es zu verändern. Verdammt. 😦

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  2. Mission Mom sagt:

    Oh das ist doch mal ein toller Beitrag.Das mit den Müttern und Selbstaufgabe ist so ein Thema das mich rasend macht denn plötzlich musst du einfach nur noch funktionieren, egal wie es dir geht.In meinem Blog ist das auch ein grosses Thema, schau doch mal vorbei würde mich freuen lg Mission-mom

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    1. mrscgn sagt:

      Dankeschön für Deinen Kommentar. Es gibt durchaus Frauen, die Mütter sind, und es für sich in Ordnung finden, die eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Auch wenn das nicht durchgängig meins ist, so respektiere ich das. Was mich stört, ist die Erwartung des Umfeldes (des Systems), dass ich als Mutter das prinzipiell aber tun sollte. Ich möchte keinen Rechtfertigungsdruck für irgendein Mutter-Daseins-Modell.

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      1. Mission Mom sagt:

        Ja das stimmt !! Man möchte als Frau nicht in ein Rollenbild gezwängt werden:-)

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  3. Katharina sagt:

    Danke für dieses Posting! Mit krankem Baby und sehr, sehr intensivem Kind gab und gibt es für mich durchaus Momente, wo meine Bedürfnisse hintenanstehen müssen. ABER: Das ist so, weil ich es bewusst so entscheide und zwar jeden Tag neu. Ja, das ist anstrengend. Aber dieses bewusste hinterfragen und entscheiden ist der einzige Weg, die Mutterschaft auf Dauer körperlich und geistig einigermassen gesund zu überstehen.

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